Leben und Kunst – Kunst und Arbeit
Die Schwalben sind für die Stilfser – vom Kind bis zum alten Mensch – ein Symbol für Ferne und Treue, da sie jährlich von ihrer tausende Kilometer langen Reise zurückkehren.
Die Räume von Stilfser Brücke 23a und das Pfeiferhaus in Stilfs sind eine räumliche und geschichtliche kulturelle Tatsache, die sich über die Jahrhunderte an der existentiellen Grenze veränderten. Vor mehr als hundert Jahren war das Pfeiferhaus in Stilfs ein Wohnhaus für Bergarbeiter und für Karner, beide aus der untersten sozialen Schicht, immer im Überlebenskampf, die die Weite, das Fremde und Unbekannte immer wieder aufsuchen mussten, damit sie, wie Schwalben, eine kurze Zeit lang in ihrer Tradition und an ihrem Geburtsort leben konnten.
Ich kann in diesen Räumen nicht anders, als diese Pendelbewegung zwischen Neuem und Tradition fortzusetzen, und daraus entsteht der künstlerische Prozess mit Bauern, dem sterbenden Handwerk, Menschen mit Behinderung, die sich notgedrungen in den Kunstraum stellen, Hausfrauen, Kindern, Jugendlichen, alten Leuten – alles Randsteine in unserer Gesellschaft. Der Randstein am Straßenrand ist zugleich Schutz und Warnung vor dem Abgrund. Wenn die Kunst, die in der Interaktion dieser Gruppen als Sehnsuchtsraum immer da ist, verschwindet, wird das Leben immer grausamer.
All diese Gruppen erstarren, wenn sie nur in ihrem festgefahrenen Alltag bleiben müssen, aber sie können auch mit ihnen völlig Fremdem und Neuem nichts anfangen. In diesen Räumen haben sie die Möglichkeit, im Sinne von Beuys, Künstler zu sein. Kunst wird Lebensraum, weil das Leben im Kunstraum im Dialog weiter geht, das Kunstwerk ist das Leben.
Die Künstler im Pfeiferhaus
Vor 20 Jahren war das Pfeiferhaus ein Symbol für bedingungslos freie Kunst für die damals junge Avantgarde des Landes. Heute bekannte Künstler wie Jakob de Chirico, Franz Pichler, Matthias Schönweger, Günther Vanzo, Hubert Scheibe, Egon Rusina, Roman Moser, Reinhold Tappeiner machten im Pfeiferhaus Happenings, Performances, Kunstaktionen, Ausstellungen und Lesungen. Sie brachten dabei auch ihre Künstlerfreunde aus dem In- und Ausland mit und es entstanden Kunstaustausche zwischen europäischen Ländern, wie z. B. „Der Berg, das Meer – Raum für Ideen“ zwischen Schwerin und Stilfs.
All diese Kunstaktionen fanden nie isoliert vom Dorfleben statt, vielmehr sang beispielsweise der Kirchenchor von Stilfs Almlieder während die Venus vom Dokumenta-Künstler Pavel Schmit als Kunstaktion vor dem Pfeiferhaus gesprengt wurde.
Inzwischen wurde das Pfeiferhaus mehr zu einem Symbol für die stille Revolution: Im traditionellen Raum wird furchtlos das Neue und Eigene gelebt und gezeigt, zum Beispiel beim Taumencounter „Soredl“, wo das Haus der träumende Körper wird. In seinem Inneren werden Traumfilme gezeigt, die in der Kunstarbeit hier entstanden sind und überraschende Sichtweisen lösen.
Skulpturen und Installationen
Im Freien wie in beiden Häusern zeugen verschiedenste Skulpturen und Installationen von ihrer Entstehungsgeschichte und den Prozessen, die sie gelöst haben.
Die Skulptur ist Spur oder Rest vom gemachten Prozess zwischen Künstlern und der phantastischen Welt der Normalität, und sie ist immer wieder Veränderungen unterworfen. Die aufgearbeitete Gartenbank des ehemaligen Stilfser Bürgermeisters, die dieser in einem Moment der Eingebung in Stücke geschlagen und als Kunstwerk neu zusammengesetzt und dann meinem Kunstraum zur Verfügung gestellt hat, wurde zum Beispiel zum Dach für die Figur des Bildhauers Heinrich Schwabel, einem Grenzgeher zwischen Autismus und Wahnsinn. Romen Moser hat das Ganze komponiert und im Hang beim Haus in Stilfser Brücke 23a vor den Stierberg gestellt. Es entstand ein mystischer Raum zwischen dem Ausbruch aus der Normalität des Bürgermeisters, dem bereits der Normalität entschwundenen Heinrich Schwabel und dem Visionär Roman Moser.
Ein anderes Beispiel bildet die Grundlage für das neu erschienene Buch „Afrika in Stilfser Brücke – ein verborgenes Glück“ (inzwischen vergriffen). Die Skulpturen als Spuren vergangener Aktionen treiben den Kunstdiskurs immer wieder in neue Aktualisierungen.
Thermochemie
Der Ziegenhirt in der Zone
Dokumentation eines Misserfolgs
Das Haus in Stilfser Brücke 23a mit dem umliegenden Raum kann sich schlagartig mit den Menschen, die darin leben, verändern. Sie können im ersten Augenblick den aufblühenden Garten wie ein Paradies sehen und im nächsten Moment von einem trostlosen Schatten- und Wasserloch aus in depressive Abgründe schauen. Diese Zone hat unerforschte, eigene Gesetze.
Die Zone ist ein maximaler Theaterraum – magisch, existentiell und realistisch. Ausschlaggebend sind die Zustände und Spannungen, die in Interaktion zwischen Ort und Bewohnern entstehen.
Das Theaterstück entspricht nicht dem üblichen Verständnis von Theater, sondern ist im Auf- und Umbruch, im Spüren der Zeit und dessen, was im Moment geschieht.
Thermochemie steht für unsere thermochemische Welt mit globaler Erwärmung und globaler Bedrohung und Herausforderung bei immer kühler und distanzierter werdenden zwischenmenschlichen Beziehungen.